3 Welten … zur Inspektion

Alle 5000 Meilen steht eine Inspektion beim Mopped an! Wenn der freundliche Harley-Dealer Vollzug gemeldet hat, muss ich also zu Fuß runter aus der heilen Bergwelt in die Altstadt und dann, hinterm Nikolaiort, durch die Verbraucherwelt. Zuerst tauchen am Straßenrand noch studententaugliche Lounges und Textilfilialisten auf, aber je mehr ich mich der Neustadt nähere, desto mehr wird die Straße zur Futterstelle für die hungrigen Verbraucher und Empfänger. 

In Burger-, Döner- und Backshops bieten grimmige Billiglöhner Industrieware und Fabrikgebäck dem gierigen Konsumenten zum Verzehr. Hatten die Studentinnen (männlich wie weiblich) auf der Shoppingmeile noch Kaffee2Go- und riesige Wasserflaschen in der Greifhand, mit der sie früher die Nuckelflasche mit süßem Eistee hielten, so tragen hier fast alle dreihändig: Rechts die Zigarette zwischen Zeige- und Ringfinger sowie das Händi in der selben hohlen Hand und links eine Flasche mit gesüßter, farbiger Limonade oder süßem Bier. 

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Die Esswaren werden dem Konsumenten in großen, bunten Umverpackungen dargereicht. Während der sich mit dieser Ware langsam schlurfend vom Shop zur nächsten Siztgelegenheit aufmacht, packt er das Objekt seiner hungrigen Begierde langsam aus und wie bei einem Strip wirft er die Einzelteile der Verpackung so schwungvoll, wie es ihm möglich ist neben, unter oder hinter sich. Der Wind weht diese Verpackungen dann herum, bis sie sich irgenwo im noch frischen Kaugummi oder zwischen Zigarettenkippenhaufen verfangen. Weil die Kehrwagen der Stadt zwar über Klimaanlage, iPod-Anschluss und Gesundheitssitz verfügen, jedoch aufgrund ihrer Ineffizienz und Größe nicht dahin kommen, wo der Müll liegt, setzt sich ebendieser für Jahrzehnte in Rinnsteinen, auf Bürgersteigen und im Bereich von Bushaltestellen dauerhaft fest. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man sogar Produktverpackungen aus der Kindheit, die es schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt.

Sobald nun auf dem Weg zu meinem Ziel die Abstände zwischen den Bushaltestellen auf mehr als 10 Meter anwachsen, ist der Fußgängerverkehr schlagartig vorbei und auch der Straßenmüll ändert sich komplett. Nun tauchen besonders zwischen den Parkbuchten für die rostigen Kleinwagen Umverpackungen von Großgebinden auf. Weil die Schnell-Ess-Ketten hier weiter auseinander liegen, mutet es sich der Empfänger nun nicht mehr zu, zur Befriedigung seines Hungers sein Obdach zu Fuß zu verlassen, sondern er nutzt ein undefinierbares, 4rädriges Blechgefährt, welches er direkt vor dem Mietshaus schräg auf dem Bürgersteig parkt, um zum Drive-In-Counter zu fahren. (Ich nehme an, er will so die Umwelt schonen, denn sein obskures Gefährt hat schließlich die grüne Umweltzonenplakette und wenn er diesen Weg denn doch per Pedes zurückgelegt hätte, wären aufgrund seines Zigarettenqualmes schließlich wesentlich mehr krebs- und klimaerregende Feinstaubpartikel in die Umwelt des Industriegebietes gelangt.) Am Drive-In bestellt er dann professionell alle aktuellen Superangebote aus der TV-Werbung: die Familienspaß-Tüte mit doppelt Pommes und einer für den Verzehr nicht geeigneten Weichplastik-Spielfigur für Kevin-Jerome, das dreifache DoppelWhopper-Gebinde mit 3 Liter Cola heavy für Shayenne-Ashley und zwei Komplett-Tüten mit dem ganzen Sortiment plus doppelt Majo für Papa und Mutter, die ja in froher Erwartung für 2 essen muss. Sobald die Tüten ins Fahrzeug gereicht werden, spielen sich minutenlang dramatische Szenen ab, in denen lautstark die sog. Nahrungsmittel unter den Insassen und zwischen dem Fahrzeuginterieur verteilt werden, während Mutter fährt, weil Vater keinen Führerschein hat und dabei telefoniert. Ab 50m Fahrtstrecke landen dann Verpackung, Speisereste und wohl auch die Weichplastik-Spielfigur, falls sie nicht doch verschlungen wurde. nach und nach durch die beschlagenen Autoscheiben hindurch im Freien.

Hinter dem letzten Fressangebot werden die Grundstücke und Geschäfte langsam wieder größer und der Verkehr beruhigt sich. Hier und da mal ein VW, ein Lieferwagen und sogar ein kleiner Mercedes. Baumärkte, Fliesenfachgeschäfte, Dienstleistungsbetriebe und dann, kurz vor dem ersten Grün des Stadtrandes taucht endlich das obligatorische Wellblech mit dem schwarz-orangenen Bar and Shield auf ...

 

© Rudi Menke 2017